14. Juli 2022 – Radio Brocken
2021 gab es 743 betrogene Senioren am Telefon. Die Dunkelziffer ist allerdings höher.
So funktioniert der Trick
Anruf bei einem 91-Jährigen aus Weferlingen: Die Tochter meldet sich mit weinerlicher Stimme bei ihm. „Vati, ich habe einen Verkehrsunfall verursacht. Jemand ist gestorben. Ich sitze bei der Polizei, soll aber dafür ins Gefängnis. Ich brauche 40.000 Euro Kaution, ein Polizist könnte das Geld abholen. Hilfst du mir?“ So ähnlich könnte das Gespräch abgelaufen sein. Der Rentner sagte der Anruferin, er habe jedoch nur 20.000 Euro. Für die Polizei offenbar verhandelbar: Der Betrag würde abgeholt werden. Doch der Senior wurde stutzig und besuchte erst einmal den Ehemann der Tochter. Dort klärte sich der Betrugsversuch auf. Nun ermittelt die Polizei. 716 Anrufe dieser Art finden sich für 2021 in einer Kleinen Anfrage des Landtagsgeordneten Sebastian Striegel (Grüne). 2020 waren es fast die Hälfte, mit 392 Trickanrufen. Und bis zum Mai waren es schon jetzt 302.
„Die Zahlen für die ersten Monate des Jahres zeigen: Der Trend scheint sich weiter zu verstärken. Wir müssen da deutlich gegensteuern. Das ist eine massive Beeinträchtigung für die ältere Bevölkerung,“ erklärt Sebastian Striegel im Radio Brocken Interview.
Sachsen-Anhalt wird immer älter und das ist für Striegel einer der Gründe für die gestiegenen Zahlen. Und die fehlenden Präventionsangebote. „Gieskannenartig wird aktuell präventiv gearbeitet. Hier muss der Kontakt mit der Zielgruppe gesucht werden. Auch über Angehörige, Pflegedienste, aber auch die Senioren selbst.“ Striegel sieht hier auch Chancen über Taxifahrer und Bankmitarbeiter. Hier könnte betroffene Angesprochenen werden und dann schlimmeres verhindern. „Insbesondere müssen bei den Banken entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. Wenn Überweisungen von 50.000 Euro und mehr getätigt werden, muss jeder Bankmitarbeiter in die Lage versetzt werden können, hier einen Stoppschalter zu betätigen,“ so Striegel.
Kritik auch an der Arbeit der Polizei
„Es muss deutlich repressiver von Seiten der Polizei vorgegangen werden, auch erstmal nur gegen die Täter, die am Ende der Leitung sind,“ sagt Sebastian Striegel mit dem Blick auf einen Fall, den er zum Anlass seiner Anfrage genommen hat. Im Harz meldete sich telefonisch ein Caritas-Vertreter bei einem Seniorenpaar für ein Beratungsgespräch vor Ort. Die Seniorin hatte darauf hin Rücksprache mit einer Regionalstellenleiterin. Die Caritas schaltete die Polizei ein. Diese schlug lediglich vor, den Trickbetrüger am Folgetag vor Ort festzuhalten. Die Seniorin wies die Betrüger ohne Polizeiunterstützung ab. Die Polizei bestreitet in der Kleinen Anfrage den zeitlichen Ablauf. „Wir haben jedoch unterschiedliche Beispiele erfahren. In einem Magdeburger Fall kam sogar der Polizeihubschrauber zum Einsatz. Klar ist jedoch: Es muss koordinierter ablaufen. Angesichts der Schadenssummen und des damit verbundenen Vertrauensverlustes, braucht es ein sehr konsequentes Agieren und umfangreiche Versuche, der Täter habhaft zu werden.“